Es sei der Traum seit ihrer frühen Kindheit gewesen, wie ihre Mutter Schneiderin zu werden, erzählt uns Mandy Härtel im Interview: Aber in der DDR sei es üblich gewesen, Mädchen und Frauen auch in Männerberufe zu stecken und daher habe sie zunächst Vermesser im Tagebau gelernt. Nach der Wende heiratete Mandy, gründete eine Familie und arbeitete im Betrieb des Ehemannes mit. Zudem absolvierte sie noch eine zweite Ausbildung.
Nebenher hat Mandy schon immer genäht, für ihre Kinder oder für sich. 2002 dann die große Chance: Sie machte eine Umschulung zur Modeschneiderin – endlich – und dann ging es stetig weiter mit der Modeschneiderei und der Ausbildung zur Schneidermeisterin von 2007 bis 2008. Im März 2011 folgte dann die Gründung eines eigenen Ateliers, wo mittlerweile 3 Lehrlinge ausgebildet wurden und seit 2015 eine feste Mitarbeiterin angestellt ist.
Hier werden Abend- und Brautmode sowie Alltagskleidung auf Maß angefertigt. Außerdem bietet sie im Atelier auch Änderungen an und – was momentan Hauptanteil der Arbeit ist – hier werden auch Tangomoden für die ständig neuen Kollektionen entworfen und auf Maß genäht. Die Kollektion werden auf bestimmten Festivals und Veranstaltungen verkauft. Auch im Internet bietet Mandy ihre Mode im eigenen Onlineshop an.
Als ich nach zweijähriger Selbstständigkeit 2011 mit dem Label “Klyder” mein eigenes Atelier eröffnet habe, habe ich sehr viel gearbeitet, war fast nur zum Schlafen zu Hause. Ich kam dann nach einiger Zeit an einen Punkt, an dem ich feststellte, dass ich kein Hobby mehr hatte, das hatte ich ja zum Beruf gemacht.
Durch einen Zufall las ich in der Zeitung eine Annonce für einen Anfängerkurs für Tango Argentino. Ich wollte schon immer mal tanzen lernen, also entschloss ich mich dahin zu gehen und hatte somit die Tür zu einer neuen phantastischen Welt aufgemacht. Ich blieb dabei, obwohl es anfänglich sehr schwer war, da es immer Mangel an passenden Tanzpartnern gab. Ich ging dann ziemlich schnell zu den ersten Milongas, das sind Tanzveranstaltungen, und merkte, dass ich mehr Kleider brauchte.
Da lag es nahe, dass ich mir selbst ein paar schneiderte. Meine Kleider wollte ich aber auch tagsüber bei der Arbeit tragen. So entwarf ich Kleider und Röcke, mit denen man Tanzen kann, aber auch chic Essen oder in der Stadt bummeln gehen konnte. Das fand sehr großen Anklang bei den Damen. “Tangoklyder” war geboren. Schnell kamen die ersten Aufträge und auch Anfragen, ob ich meine Tangomode nicht auch auf Veranstaltungen verkaufen möchte. Auch die Herren fragten, ob ich nicht auch für sie schneidern wolle.
Mittlerweile habe ich eine Vielzahl verschiedener Formen von Kleidern, Röcken und Herrenhosen, aber auch Oberteilen und Herrenhemden im Angebot. Es sind Kleider mit schmalen oder ganz weiten Röcken oder mit Ärmeln. Für viele Kunden fertige ich auf Maß an oder nähe ganz speziell auf Wunsch Einzelstücke. Da gibt es hier einen hohen Schlitz oder dort einen tiefen Rückenausschnitt, es wird mit zarter Spitze gearbeitet oder mit Pailletten bestickt.
Nach wie vor gibt es meine „alltagstaugliche“ Tangomode, die sich auch großer Beliebtheit bei Nicht-Tango-Tänzerinnen erfreut. Und ab und zu kommt auch ein Tänzer mit ausgefallenen Wünschen, z.B. eine extra weite Buggyjeans oder eine Tangohose aus einem Stoff mit Blumenmuster, auch Westen werden bestellt. Da ich eine große Auswahl an verschiedensten Stoffen auf Lager habe, kann ich meine Kunden sofort ganz individuell beraten und mit ihnen zusammen ihre Mode entwerfen. Später bei den Anproben können sie den Entstehungsprozess ihres neuen Tangooutfits hautnah mitverfolgen. Mit leuchtenden Augen werden dann die neuen Teile zum Tanz ausgeführt.
In vielen Modegeschäften geht es heutzutage nur um Umsatz und Zahlen. – Ich lege großen Wert auf den einzelnen Menschen und dass es ihm gut geht, wenn er meine Mode trägt. Oft höre ich auch solche Sätze wie: In deinen Kleidern/Hosen tanze ich gleich viel besser!
Bei den Stoffen, die ich verwende, gibt es die verschiedensten Qualitäten. Es kommt ganz darauf an wo, wann, wieviel, auf welchen Veranstaltungen getanzt wird. Da ist bei der Damenmode vom teuren Seidensatin bis zum Polyesterjersey so ziemlich alles dabei. Bei den Herrenhosen verarbeite ich fast nur Naturmaterialien, z.B. Schurwolle, Baumwolle oder Leinen. Wichtig ist mir aber immer, ob sich der Stoff gut anfühlt, die Form/Farbe behält und gut zu pflegen ist.
Viele Tangotänzer reisen oft, sodass die Kleider wenig Platz beanspruchen sollten, bügelfrei sind und schnell trocknen sollten. Da kommt bei den Frauen eigentlich nur ein Jersey aus Polyester in Frage, dieser hat Eigenschaften wie die Stoffe aus denen Sportsachen genäht werden. Außerdem schwingt er schön bei Drehungen, was ein Tangokleid oder -rock besonders ausmacht. Momentan sind auch enge Röcke sehr angesagt. Die nähe ich gern aus Stoffen, die für Bademode hergestellt werden. Diese Stoffe sind etwas fester und extrem dehnbar und passen in die kleinste Tasche.
Da die Stoffe, aus denen ich meine Tangomode nähe, hauptsächlich elastisch sind, muss ich in der Verarbeitung einige Dinge beachten. Die Nähte werden mit speziellen Overlock-Nähmaschinen und/oder dehnbaren Stichen genäht. Auch Borten, die ich verwende, sind elastisch. So passen sich die Sachen gut dem Körper an, ohne einzuengen, was sehr wichtig für die Bewegungsfreiheit beim Tanzen ist.
Der Tango Argentino hat hier in Deutschland seit den 80er Jahren, in Ostdeutschland ging es in den 90ern los, Einzug gehalten und entwickelt sich fortan weiter. Das Interesse ist so hoch, wie noch nie. Es kommen auch immer mehr junge Tänzerinnen und Tänzer zum Tango Argentino, was dazu führt, dass es die unterschiedlichsten Szenen und Tanzstile gibt.
In den 80ern, als sich immer mehr Menschen Reisen nach Buenos Aires leisten konnten und auch argentinische Tangolehrer nach Europa kamen, wurde viel Bühnentango gelehrt. Dabei wurden die Figuren einstudiert und dann konnte man meist nur mit ein und demselben Tanzpartner tanzen. Dann gab es aber immer mehr Tänzer, die wie die alten Milongueros tanzen wollten, also in enger Umarmung, mit kleinen Schritten ohne viele Figuren. So entwickelte sich der Tango in mehrere Richtungen. Es kam auch immer mehr darauf an, welche Musik auf den Milongas gespielt wurde. Vor 20 Jahren entstand z. B. der Elektrotango, der in offener Tanzhaltung getanzt wurde.
Was aber alle Musik- und Tanzstile gemein haben, und das ist es, was den Tango ausmacht, es ist ein Tanz, bei dem das Paar eine Verbindung eingeht, um damit die verschiedenen Schrittelemente und Drehungen ohne jegliche Choreographie im Takt der Musik tanzen können. Im Prinzip eine ständige Improvisation, ganz anders wie beim Standardtanz mit seinen festen Schrittfolgen. – Ein Grund, weswegen der Tango so attraktiv ist: Man kann ihn überall auf der Welt tanzen, mit wildfremden Menschen. Vielleicht versteht man die Sprache nicht, aber die Sprache des Tangos schon.
Mandy ist glücklich, sich ihren Traum verwirklicht zu haben. Ihre Leidenschaft für Tango veranlasste sie dazu, für sich und ihre Kundschaft passende Tangokleidung zu schneidern. Ob Damen- oder Herrenkleidung – jeder war und ist bis heute von Mandys Ideen begeistert, vor allem von den schönen Designs, die für Tanzabende ebenso geeignet sind wie für einen gemeinsamen Besuch im Restaurant. Mandy achtet darauf, hochwertige und vor allem dehnbare Stoffe für ausreichend Bewegungsfreiheit zu verwenden. Bei ihr stehen selbstverständlich die Kunden und ihre Bedürfnisse immer an erster Stelle.