Traditionelle Volkstänze tragen viel Tradition und Geschichte in sich. Auch heute werden sie auf der ganzen Welt getanzt, neu interpretiert und begeistern Menschen jeden Alters. Auch ägyptischer Tanz hält für viele eine besondere Begeisterung inne. Um mehr darüber zu erfahren sprachen wir mit Erna Fröhlich, Tänzerin und Gründerin der Tanzschule Taqsim. Im Interview verrät sie uns, wie der orientalische Tanz sich über die Jahre verändert hat, beschreibt die Bewegungsabläufe und verrät uns, wie man den Schleier richtig einsetzt.
Erna Fröhlich tanzt seit über 30 Jahren den traditionellen und modernen orientalischen Tanz „Raqs Sharqi“ und unterrichtet ihn seit über 25 Jahren im eigenen Studio Taqsim. Schon seit ihrer Schulzeit war sie von schöner, musischer Bewegung fasziniert.
Begonnen hat sie ihr Tanzstudium an der Else Lang Schule in Köln mit Ausdruckstanz und Künstlerischem Tanz, danach absolvierte sie eine Ausbildung zur Gymnastiklehrerin in München. Nach etlichen Jahren Bauchtanz und der Entdeckung der Schönheit der arabischen Musik wurde Raqs Sharqi, wie er von Suraya Hilal und vor allem von ihrer sie prägenden Lehrerin Liza Wedgwood unterrichtet wurde, richtungsweisend.
Es folgten viele Workshops, Tanzwochen, Tanztheateraufführungen und Reisen nach Ägypten, um mit den dortigen Musikern zu arbeiten und um ein authentischeres Verständnis der dortigen Kultur zu bekommen.
Das Tanzstudio Taqsim gründete Erna Fröhlich 1992 mit einer Kollegin, führte es jedoch bereits nach einem Vierteljahr alleine weiter. Heute besteht die Schule aus drei Lehrerinnen – Petra Walther, Heide Marie Heimhard und Erna Fröhlich. Mit ihren beiden Kolleginnen pflegt sie einen regen Austausch, denn jede bringt ihre eigenen Schwerpunkte und Interessen mit ein. Das bringt Inspiration, für die Erna sehr dankbar ist. Regelmäßig lädt sie auch ihre Lehrerin Liza Wedgwood aus England ein, die Workshops im Studio gibt und gemeinsam mit ihr Tanzwochen veranstaltet. Auf diese Weise ist ein lebendiges Netzwerk entstanden, zu dem auch ihre Kolleginnen in Hamburg, Berlin und Halle als auch Kolleginnen in der Schweiz und in Österreich gehören.
Richtungsweisend war für mich, dass ich mich nach 7 Bauchtanzjahren, während derer ich zahlreiche Dozentinnen und Dozenten, die alle möglichen schönen Choreografien unterrichteten, kennengelernt habe, mit der Arbeit und dem Tanzverständnis von Suraya Hilal in Berühung kam. Ihr Tanz hatte für mich eine ganz andere Tiefe und sie war für mich die „Mary Wigman des ägyptischen Tanzes“. Allerdings empfand ich sie sehr autoritär und wenig an der Entwicklung der einzelnen Tänzerin interessiert als vielmehr an der Repräsentation ihres Tanzstils. Diese von mir ersehnte individuellere Förderung habe ich von Liza Wedgwood bekommen, die lange Jahre zum engen Team von Suraya gehörte, dann aber ihren eigenen Weg ging.
Das war und ist der wichtigste Einfluss für mich. Daneben habe ich auch 7 Jahre in einer orientalischen Folkloregruppe mitgetanzt und bin mit ihr aufgetreten.
Am Wichtigsten ist aber, dass man all die vielen Einflüsse durch sich filtert und die eigene Essenz herausarbeitet, den Tanz zur eigenen Sprache macht – basierend auf dem Verständnis der Tradition.
Raqs Sharqi bedeutet orientalischer Tanz und umfasst ein sehr breites Spektrum. Nahezu jeder Lehrer vertritt seinen eigenen Stil oder lehnt sich an eine Stilrichtung an.
Über die Herkunft des Tanzes gibt es viele Theorien, vom Fruchtbarkeitstanz bis zum sakralen Tempeltanz. Damit kann man sich lange beschäftigen, aber vieles bleibt Spekulation, weil der Tanz weitgehend mündlich weitergegeben und überliefert wurde.
Ich habe mich hauptsächlich mit dem ägyptischen Tanz beschäftigt und wir unterscheiden – grob gesprochen – den ländlichen Volksstil „Sha’abi“, den ägyptischen „Blues“ „Baladi“ und den klassischen Stil „Sharqi“.
Dazu kommen natürlich viele Mischformen, Überschneidungen und die ganze moderne „Egypt Pop“ Kultur. Es bleibt immer lebendig.
Wir unterrichten ein Tanzvokabular an Grundbewegungen und führen dann anhand der Musik in die stilistischen Unterschiede und Feinheiten ein. Und man sollte nicht vergessen, dass auf dieser Basis die Improvisation ein Wesensmerkmal des orientalischen Tanzes ist.
Es ist ziemlich westlich, alles durchzuchoreographieren und wir versuchen, unsere Tänzerinnen mit gewissen Strukturen viel zur Improvisation anzuregen.
Wir tragen lange, weit schwingende Röcke, die den Bewegungsfluss unterstützen und wickeln sie – je nach Stil – mal enger, mal weiter.
Nach Möglichkeit tanzen wir barfuß, weil das eine ganz andere Erdung ermöglicht.
Den Schleier verstehen wir als eine Erweiterung unserer Aura. Wir benutzen ihn gerne, um unsere Bewegungen zu verlängern oder zu umrahmen – weniger für Effekte.
Der Schleier kann weit schwingend getanzt werden, ist aber bei entsprechenden musikalischen Passagen auch als einhüllendes, versammelndes Element sehr schön.
Es kommt immer auf die Musik an. Wir verstehen ihn auch nicht als „Accessoire“, das man sich dekorativ umhängt, sondern als Teil des Tanzes und nur dann macht es Sinn. Ebenso benutzen wir Stöcke und Zimbeln.
Der Tanz in unserem Verständnis ist kaum bekannt in Deutschland.
Zum Glück gibt es Frauen, die sich mit sehr viel Hingabe mit diesem Tanz beschäftigen, wenn sie ihn kennengelernt haben und seine wohltuenden Wirkungen für Körper, Geist und Seele verspüren. Dann kann man „süchtig“ danach werden und viele unserer Frauen bleiben jahrzehntelang dabei.
Der Tanz fördert uns sehr im Ausdruck unserer Weiblichkeit – in jedem Alter. Dieser Tanz ist zutiefst weiblich – auch in seiner Methodik. Er ist nicht leistungsorientiert und es wohnt ihm eine tiefe Weisheit inne, was dem weiblichen Körper und dem weiblichen Wesen guttut. Jede Frau, die dies entdecken will, erfüllt die nötigen Anforderungen, um in unsere Kurse zu kommen.
Es ist beeindruckend zu sehen, wie leidenschaftlich Erna Fröhlich über ägyptischen Tanz, und Tanz allgemein, spricht. Wichtig ist vor allem, dass es hier nicht um Leistung geht, sondern darum, Körper, Geist und Seele etwas Gutes zu tun. Der Raqs Sharqi hat dabei eine ganz besondere Wirkung.
Wir bedanken uns bei Erna Fröhlich für das offene Gespräch und wünschen der Tanzschule Taqsim weiterhin viel Erfolg.