Es ist nicht der Besitz, der einen glücklich macht, sondern die Zeit, die Momente, die man mit geliebten Menschen verbringen kann. Zu dieser Konklusion zumindest ist Petra Bäumler, 41 Jahre alt, in Nürnberg geboren und Mutter eines Sohnes, gekommen. Auslöser für ihr Umdenken war der Tod ihrer Mutter, wie Petra Bäumler im Interview erzählt.
Plötzlich ging es darum, einen Haushalt aufzulösen. Das drangen sich ihr zwangsläufig Fragen auf wie «Was bleibt, wenn Menschen gehen?», «Womit soll man seine Zeit verbringen?» und «Was macht wirklich glücklich?». So kam es, dass sie sich dem Minimalismus zuwandte. Beim Minimalismus geht es darum, Ballast abzuwerfen, damit man sich wieder darauf konzentrieren kann, was einen glücklich macht. Doch sich von Dingen loszusagen, ist nicht immer einfach – schließlich werden wir darauf getrimmt, Sachen besitzen zu wollen.
Doch Petra Bäumler hat einen Weg gefunden. Welcher das ist und was man dafür genau machen muss, verrät sie im Interview. Die 41-Jährige hat sich nämlich bereits 2018 als Aufräumcoach selbstständig gemacht. Ihr Geschäft heisst «Die Aufräumerei» und befindet sich in Nürnberg.
Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema Minimalismus – zumindest theoretisch. Mein theoretisches Wissen in die Praxis umgesetzt habe ich aber erst Mitte 2016 nach dem Tod meiner Mutter, als ich den elterlichen Haushalt auflösen musste. Das war der Moment, in dem ich merkte, wie sehr mich Gegenstände belasten und wie befreiend es ist, loszulassen. Durch Minimalismus gelingt es mir, mich auf die wichtigen «Dinge» im Leben – nämlich Menschen und Momente –, zu konzentrieren, sprich nicht auf Gegenstände!
Ich genieße jetzt meine Zeit und bin nicht mit der Anschaffung, der Pflege und dem Aufräumen von Gegenständen beschäftigt. Mit anderen Worten: Durch wenige, dafür aber schöne Dinge bin ich nicht mehr ständig verpflichtet, aufzuräumen, sondern kann man meine Zeit mit meinen Lieblingsmenschen verbringen. Ich habe jetzt Zeit für schöne Ausflüge, für Kochen, für nette Menschen und ich kann viel Zeit in der Natur verbringen und viel lesen. Ich bin außerdem gerne alleine, brauche viel Zeit für mich, die ich jetzt viel mehr genießen kann, weil alles erledigt ist.
Die Gegenstände in meinem Wohnraum haben einen festen Platz. Dadurch spare ich mir lästiges Suchen und Doppel-Käufe, weil ich alles im Überblick habe. Auch das Zusammenleben daheim ist wesentlich entspannter, weil jeder weiß, wo was ist, zum Beispiel die Schere, weil sie ihren festen Platz hat, an den sie nach Gebrauch wieder zurückgelegt wird. Es gibt kein Suchen nach Schlüsseln, Stiften, Handys.
Minimalismus erleichtert also mein Leben und schafft Zeit und Raum für das Wichtige im Leben! Das fasziniert mich sehr!
Ich biete Aufräum-Coachings vor Ort oder online an. Das heißt, ich erstelle einen Plan, nach dem die Kunden künftig leben können. Auf dem Plan ist aufgelistet, was sie derzeit belastet, warum es sie belastet und was nötig ist, um das zu ändern. Ich unterstütze sie dabei, aktiv zu werden. Hierfür erstelle ich mit den Kunden gemeinsam einen Fahrplan, auf dem steht, was wann zu tun ist. Ich empfehle meist einen Schritt-für-Schritt-Plan, der auch durch kleine Schritte, sprich Handlungen, zu Erfolgserlebnissen führt – was wiederum dazu motiviert, weiterzumachen und dranzubleiben.
Der Ablauf ist folgendermaßen: Wir fangen mit einem Wohnbereich an. Hierfür stelle ich konkrete Fragen zu den einzelnen Gegenständen, die sich in diesem Wohnbereich befinden. Dabei gehen wir wirklich jeden einzelnen Gegenstand durch, damit wir entscheiden können, von welchem sich die Kundin gegebenenfalls trennen kann. Nach dem Ausmisten wird ein für die Person passendes Ordnungssystem kreiert. Ich nutze dabei die Regale und Verstaumöglichkeiten, die schon vor Ort sind. Ich bin nämlich kein großer Fan von Neuanschaffungen, da der vorhandene Stauraum in der Regel völlig ausreicht. Danach besprechen wir Routinen, von denen es wichtig ist, sie einzuführen, weil diese künftig für dauerhafte Ordnung sorgen.
Ich nehme also die Kundinnen an die Hand, denn gemeinsam fällt der erste Schritt viel leichter. Durch meine mitfühlenden Fragen und die ständige Begleitung fühlen sie sich gut aufgehoben und nicht allein. Sie können sich jederzeit an mich wenden und von meinen praktischen Erfahrungen lernen. Nach und nach lernen sie, dass sie auch selbst minimalistisch leben können, dass sie mich nicht mehr länger brauchen. Das gibt ein ungeheures Selbstvertrauen und motiviert auch.
Ich bin ein sehr empathischer Mensch, das heißt, wenn die Kunden bei Gegenständen zögern, gehe ich darauf ein. Ich rate bisweilen auch, gewisse Dinge noch zu behalten, falls sich die Person unsicher ist. Weil ich genau weiß, dass das Aufräumen ein Prozess ist und die Person sich früher oder später davon trennen wird – sobald sie dazu bereit ist. Ausmisten erfolgt oft in mehreren Runden. Denn: Was ich heute noch behalten möchte, kann ich nächste Woche schon wegwerfen, weil ich es nicht mehr brauche und es mich nicht mehr glücklich macht.
Mein Vier-Punkte-Plan lautet deshalb in Kurzform «PAST»: Planen, Ausmisten, Strukturieren und das Finden und Etablieren von Täglichen Gewohnheiten.
Ich bringe meine Fragen mit, nach denen wir einen gezielten Plan erstellen. Außerdem verschiedene Listen, um die einzelnen Räume systematisch auszumisten und neu zu organisieren.
Es dürfen alle Gegenstände bleiben, die einen Kunden glücklich machen und ihm keine schlechten Gedanken oder Gefühle bescheren. Es gibt keine keine feste Anzahl an Gegenständen und die Anzahl variiert natürlich von Person zu Person. Allerdings hat sich gezeigt, dass man von einem Gegenstand nicht mehrere Sorten braucht. Mit anderen Worten: Es müssen nicht fünf Scheren sein – eine reicht vollkommen aus. Manchmal macht es aber Sinn, von einem Gegenstand zwei Ausführungen zu besitzen – falls die eine einmal kaputt gehen sollte. Aber es geht eigentlich darum, sich auf wenige Dinge zu konzentrieren, die dann dafür aber schön sind und glücklich machen.
Man sollte sich überlegen, was man eigentlich will und erreichen möchte im Leben. Dazu ist meist ein Ausmisten nötig, weil die meisten Menschen von zu vielen Gegenständen umgeben sind, die ihnen Zeit und Raum zum Atmen und Leben rauben.
Durch das Ausmisten kann man sich auf das Wesentliche besinnen, wodurch oft auch alte Träume und Ziele zum Vorschein kommen, die dann wieder mehr Raum haben dürfen. Sobald man sich diese Träume vergegenwärtigt hat, ist es an der Zeit, einen Plan zu erstellen, wie man diese Bedürfnisse zukünftig in den Alltag integrieren kann – also ihnen mehr Priorität einzuräumt als bisher. Das erreicht man, in dem man neue Gewohnheiten schafft. Die Tageszeit spielt hierbei meiner Meinung nach auch eine große Rolle. So ist man in den Abendstunden meist zu erschöpft von den Tagesaufgaben, deshalb bin ich ein großer Fan von Morgenstunden – zu diesem Thema kann ich das Buch «Eat that frog» von Brian Tracy empfehlen. Beginnt man nämlich am Morgen mit den wichtigsten Aufgaben, sind diese schon erledigt – egal, was der Tag sonst noch bringt. Das ist ein unglaublich tolles Gefühl, weil man sein «One Thing» schon geschafft hat und somit merkt, dass man Schritt für Schritt vorankommt.