Yoga bietet neben Bewegung und Dehnungsübungen vor allem eines: Entspannung. Und diese würden wir eigentlich nicht selten benötigen. Gerade in der großen Zeit der Selbstoptimierung sind wir doch alle zu scharfen Kritikern unserer eigenen Lebensführung geworden. Vor allem der Körper scheint eine Dauerbaustelle zu sein und niemals einem Ideal entsprechen zu wollen.
Yoga habe da ganz andere Ansätze, erklärt uns Jan Osterkamp. Der 52-Jährige stammt aus Herford und ist neben seiner Anstellung in seinem Yogastudio auch selbstständig als Lehrer tätig. Für den Yogalehrer hat er zwei Ausbildungen absolviert und unterrichtet somit Anfänger wie auch Fortgeschrittene. Da sich die Yogastile im Studio gleichen, kann Jan, seine Chefin und die beiden freien Mitarbeiterinnen sich gegenseitig vertreten.
Jan kann bereits auf ein bewegtes Leben zurückblicken: Neben seiner jetzigen Arbeit besitzt er eine Ausbildung als Maler- und Lackierergeselle, ist diplomierter Sozialarbeiter und Trainer für Gewaltfreie Kommunikation nach M. B. Rosenberg. So ist er nach dem Start in das Berufsleben des Handwerkers inzwischen 25 Jahre im Stiftungsbereich Behindertenhilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, Epilepsie und psychischen Erkrankungen tätig. Bis vor wenigen Jahren hat er außerdem als Schauspieler und Theaterpädagoge sowie als Kommunikationstrainer und Berater gearbeitet.
Mein Yogastil ist gut für Neulinge geeignet, da einer der Schwerpunkte die Berücksichtigung der individuellen körperlichen Grenzen ist. Ich lade die Teilnehmenden dazu ein, auf Leistungsgedanken zu verzichten, den eigenen Körper erst einmal besser kennenzulernen und ihn wohlwollend so anzunehmen, wie er jetzt gerade ist. Ein weiterer Schwerpunkt ist die anatomisch korrekte Ausrichtung in den Übungen, um die positiven Effekte von Yoga zu verstärken und Verletzungen zu vermeiden.
Die Kurse „Yoga für Männer“ erleichtern Anfängern den Einstieg, da sie hier nicht – wie sonst häufig – allein unter Frauen sind. Yoga von Männern und für Männer ist anders: andere Körper, Themen, Bewegungsstrukturen, Stärken/Schwächen und Überzeugungen darüber, was Männer/Frauen sind oder können … Die Atmosphäre in einem Männerkurs ist einfach irgendwie anders, entspannt und gern mal selbstironisch: Mann macht sich ein bisschen über das „Männeryoga“ lustig, kommt aber (deshalb?) gern wieder!
Ich besuche weiterhin einen Yogakurs als Teilnehmer und übe ohne festgelegte Zeiten zu Hause.
Ich motiviere mich, indem ich mich erinnere, wie ich mich immer nach dem Yoga fühle, und dass es wohltuende Rückzugsmomente sind. Ich nehme mir die Freiheit, zu üben oder wenn ich nicht mag, es zu lassen, da ich auf Strenge unbewusst mit Vermeidung reagiere. Ich habe sozusagen eine „Muss-Allergie“, und wenn ich die beachte, übe ich öfter!
Da ich (als Mann?) auch ein Macher-Typ bin, ist es gut, das ich durch Yoga auch mal aus dem Erledigungs-Modus zu Ruhe und zur „Besinnung“ komme. Das stabilisiert und klärt mich auch mental. Körperlich ist Yoga auch für mich super, da es mir wie vielen Männern an Beweglichkeit und Dehnbarkeit fehlt, egal ob Couch-Potato mit Bürojob oder Handwerker mit Sportambition. Wir unterscheiden uns eben auch aufgrund der Bewegungsmuster und des Bindegewebes von Frauen, auch wenn viele Männer muskulärer sind.
Zur Alltagsbewältigung hilft mir Yoga, indem ich Impulse bekomme, möglichst nach der Philosophie von Yoga zu leben. Also in dem Bewusstsein, ein mit allem verbundener Teil des „großen Ganzen“ zu sein. Das heißt, vegan, natur- und ressourcenschonend zu konsumieren und mich im Umgang zu bemühen, ehrlich, authentisch, gewaltfrei, zugewandt, direkt und rücksichtsvoll, souverän und tolerant zu sein. Klingt vielleicht anstrengend, wirkt auf mich aber beruhigend, da es oft gut als Orientierungshilfe taugt.
Mach Yoga! Komm in Bewegung – und zu dir! Lerne dich kennen und verstehe deinen Körper, wer du bist, was du brauchst! Sei dabei sanft und geduldig zu deinem Körper und verständnisvoll zu dir. Entwickle dich weiter, aber verurteile dich nicht.
Sorge im Idealfall für eine Zeit und einen Raum der Ungestörtheit, schalte dein Handy aus. Vermeide Ablenkungen, auch Musik oder ein voller Bauch können stören.
Erspüre und respektiere beim Üben deine individuellen körperlichen Grenzen! Ein angenehmer Dehnungsschmerz ist massvoll immer förderlich. Beobachte nach jeder Übung, ob und was sich vielleicht verändert hat. Wie fühlt es sich jetzt an? Bleib mit deiner Aufmerksamkeit und deinen Gedanken bei dir und beim Üben oder kehr immer wieder dahin zurück. Das gilt auch im Yogakurs, wenn du unterbrochen wirst. Störe andere nicht, und vergleich dich nicht mit ihnen. Beobachte deinen Atem. An ihm kannst du dein Inneres ablesen, durch seine Beruhigung auch dich beruhigen.
Ich empfehle eine dünne, rutschfeste Matte. Zwischendurch, z.B. im Büro, gehen ein paar Übungen auch ohne. Deine Kleidung sollte außerdem bequem sein. Zusätzlich benutze ich gerne Hilfsmittel wie Yogablöcke, Gurte und Sitzkissen. Die kann man zu Hause aber teilweise auch durch Kissen und Gürtel ersetzen.
Es gibt viel Literatur, CDs und Videoportale, die das Üben unterstützen. Die Teilnahme an einem Kurs ersetzt all dies aber nicht, da du keine Rückmeldungen erhältst. – Sie sehen dich ja nicht, dein Yogalehrer oder deine Yogalehrerin jedoch schon. Viel Spaß beim Üben!
Für Jan ist klar, Yoga hat sein Leben nur zum Besseren gewendet. Dabei kann er nicht nur die Beweglichkeit und Dehnbarkeit trainieren, die den Männern oft etwas fehlt, sondern auch seinen ganzen Alltag danach ausrichten. – Natürlich soll dies ohne Zwang geschehen und man sich vor und nach den Yoga-Übungen über die positiven Effekte bewusst werden. Das Besinnen und Zu-Sich-Kommen möchte Jan auch in seinem Unterricht an die Schüler weitervermitteln und gibt ihnen dabei gerne hilfreiches Feedback.